Bilder und Namen auf Blogs und die Meinungsfreiheit

Bilder und Namen auf Blogs und die Meinungsfreiheit ! Wo liegen für Blogs die Grenzen der Meinungsfreiheit nach dem deutschen Verfassungsrecht gemäß Art. 5 I GG ? Gibt es eigentlichen einen Vorrang der Meinungsfreiheit ? Welche grundsätzlichen Anforderungen sind an die Entscheidungen der Zivil- und Strafgericht zu stellen, damit diese den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes entsprechen ? Mit einer Entscheidung vom 20.05.2020 hat das Verfassungsgericht einige grundsätzliche Linien abgesteckt, die Beachtung verdienen.




die verfassungsrechtliche notwendige Abwägung der Gerichte

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung vom 20.05.2020 (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.05.2020, 1 BvR 2397/19) grundsätzlich mit der Meinungsfreiheit und Äußerungen in Bild und Wort beschäftigt.

Die Ermittlung des Sinns

Zunächst stellt das Verfassungsgericht fest, dass es einer konkreten Ermittlung des Sinns einer Äußerung bedarf. Dazu stellt es nicht nur auf den Wortlaut ab. Vielmehr bedarf es dafür auch der Berücksichtigung des situativen Kontextes und unter Umständen auch der „emotionalen Einbettung„.

Die abwägende Gewichtung der Beeinträchtigung der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit

Eine im Sinn des § 185 StGB strafbare Beleidigung ist im Sinne des § 193 StGB rechtswidrig, wenn die Beeinträchtigung der Verletzung der persönlichen Ehre die Meinungsfreiheit des Äußernden überwiegt.

Die „Umstände“ der Meinungsäußerung

Einmal berücksichtigt das Verfassungsgericht den „konkreten ehrschmälernden Gehalt“ der Äußerung und ob dieser den „Achtungsanspruch“ eines Menschen betrifft.

Sehr wichtig ist, ob eine Aussage einen Beitrag zu der öffentlichen Meinungsbildung leistet oder es sich lediglich um die „emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen“ gegen einzelne Personen handelt.

Unterschieden wird auch, ob die betroffene Person sich selbst zum Beispiel als Politikerin in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gewagt hat oder als Amtsräger Teil der Öffentlichkeit ist.

Ein besonderes Schutzbedürfnis kommt dabei der sogenannten „Machtkritik“ zu.

geplante Kommunikationsstrategien oder emtionale Reaktion

So kann im Falle einer emotionaler Reaktion im Zusammenhang mit einer „hitzigen Situation“ eine ehrverletzende Wirkung geringer sein als im Falle des Vorgehens mit länger geplanten Vorbehalt.

Aber natürlich spielt auch die Frage der Anzahl der Empfänger einer Äußerung eine große Rolle. Ein Schreiben an eine begrenzte Anzahl von Menschen hat ein sehr viel geringeres Gewicht als eine Äußerung im Internet, die dann auch noch abrufbar bleibt.


Formalbeleidigungen, "Schmähkritik" und die Entbehrlichkeit einer Abwägung

In wenigen Fällen kann unter Umständen eine dem Verfassungsrecht geschuldete Abwägung unterbleiben wenn es sich um „Formalbeleidigungen“ oder „Schmähungen“ handelt.

Die Unzulässigkeit der „Schmähkritik

Schmähkritik im Sinne des deutschen Verfassungsrechtes ist eine Äußerung nicht schon dann, wenn sie eine besonders verunglimpfende Form einer Beleidigung besitzt.

Eine im Sinne des deutschen Verfassungsrechtes unzulässige „Schmähkritik“ liegt jedoch vor, wenn ohne einen sachlichen Bezug zu einer Sachfrage eine Person „niedergemacht„, „verunglimpft“ oder verächtlich gemacht wird.

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn es sich um eine möglicherweise „überschießende Kritik oder um Ausdruck der Empörung über bestimmte Ereignisse handelt. Zudem dürfen diese Äußerungen nicht alleine der Verächtlichmachung dienen.

eine verfassungswidrige „Formalbeleidigung“

Besonders strenge Maßstäbe gelten im Hinblick auf das mögliche Unterbleiben der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung für die Annahme einer „Formalbeleidigung„.

Hierzu zählen besonders krasse, aus sich heraus herabwürdigende Äußerungen – beispielsweise aus dem Bereich der Fäkalsprache. Bei diesen Äußerungen steht die – kontextunabhängige – gesellschaftlich absolut mißbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit im Vordergrund.


Vermutung der freien Rede kein Vorrrang der Meinungsfreiheit vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Das Verfassungsgericht macht deutlich, dass der verfassungsrechtliche Vorrang der freien Rede keinen Vorrang der Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsrechtsschutz bedeutet.

Jedoch folgt aus der Vermutung der freien Rede, dass Meinungen, die die Persönlichkeitsrechte anderer verletzen, nur zulässig sind, wenn sie im Rahmen einer Abwägung überwiegen.

 


das konrete Verfahren

In dem konkreten Verfahren sah das Verfassungsgericht die persönlichen Angriffe auf Richter nach einem Sorgerechtsstreit unter Nennung der beteiligten Richter und der Veröffentlichung ihrer Bilder als verfassunsgwidrig an. Die Verurteilung wegen § 185 StGB wurde aufrechterhalten.

Auch in diesem Fall der „Machtkritik“ und des „Kampfes um das Recht“ der auf einer Internetseite veröffentlichen Äußerungen würden die persönlichen Kränkungen des Beschwerdeführers das sachliche Anliegen überlagern.


kritische Würdigung

So sehr der Beschluss des Verfassungsgerichtes zu begrüßen ist, so sehr läßt er doch viele Fragen offen.

das subjektive Gefühl der Beleidigung

In unterschiedlichen Rechtskreisen gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen von Beleidigungen. Dies gilt selbstverständlich aber auch in einem Land wie der Bundesrepublik, in welchen Menschen aus 184 Nationen leben und es folglich unterschiedliche Prägungen geben kann. Mögliche kulturelle Unterschiede hat das Verfassungsgericht nicht thematisiert.

grenzüberschreitende Sachverhalte

In der Bundesrepublik sind deutschsprachige Inhalte aus Österreich, der Schweiz, von deutschsprachigen Minderheiten aus Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Polen, Tchechien und Frankreich erreichbar. Hier kann es unterschiedliche rechtliche Pflichten geben, auch wenn dann, wenn eine Meinung in Deutschland empfangbar ist, aufgrund des deutschen Empfängerhorizontes von der Geltung deutschen Rechtes ausgegangen wird.

englischsprachige oder französische Inhalte

Aber auch die Inhalte englischsprachiger Webseiten oder Medien sind in Deutschland zugänglich. So berichteten englische Zeitungen im Mai 2020 über einen deutschen Verdächtigen unter Nennung des Namens und des ungepixelten Bildes im Mordfall „Maddie“. Dies wäre nach deutschem Presserecht unzulässig. Diese in Großbritannien hergestellten und für Großbritannien verbreiteten Inhalte entfalten selbstverständlich auch in Deutschland Wirkung.



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