Correctiv / Facebook gegenTichy

Correctiv / Facebook gegen Tichy ! Darf die Betreiberin einer Plattform einen Beitrag eines Publizisten auf ihrem Sozialen Netzwerk mit dem Hinweis versehen "Nein, es sind nicht 500 Wissenschaftler. Behauptung teils falsch" ? Kann man diesen Hinweis dahingehend mißverstehen, dass sich dieser Verweis auf nicht auf einen bestimmten zitierten "offenen Brief" eines Dritten, sondern auch auf den Publizisten Roland Tichy bezieht ? Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2020, Az. 6 U 36/20) ist der Ansicht, dass dieser Hinweis missverständlich sei. Das Wettbewerbsrecht verbiete daher eine entsprechende Information.




Correctiv / Facebook informiert über Inhalt eines "offenen Briefes"

Hintergrund des Streites zwischen Correctiv / Facebook und dem Publizisten Tichy ist die Veröffentlichung eines „offenen Briefes“ Dritter, den der Publizist auf seinem Facebook-Account veröffentlicht hatte. Dieser Brief wurde von Correctiv / Facebook mit dem Hinweis „Nein, es sind nicht 500 Wissenschaftler. Behauptung teils falsch“ verstehen.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe beurteilt diesen Fall nach dem Wettbewerbsrecht. Das Oberlandesgericht hob damit eine Entscheidung des Landgerichtes Mannheim auf (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2020, Az. 6 U 36/20).

Mißverständlicher Hinweis für „verständige Facebook-Nutzer*Innen“

Für das Oberlandesgericht war maßgeblich, dass verständige Facebook-Nutzer*Innen diesen Hinweis mißverstehen können. Denn diese Information, welche sich auf den „offenen Brief“ von angeblich 500 Wissenschaftlern bezog, beziehe sich auch auf den Publizisten Roland Tichy.

keine Entscheidung über die Zulässigkeit von Faktenprüfungen

Das Oberlandesgericht betont in seinem Urteil, dass seine Entscheidung keine Aussage über die Zulässigkeit von „Faktenprüfungen“ durch Facebook treffen soll.


fehlende Auseinandersetzung zu der durch Art. 5 I GG geschützten Meinungsfreiheit

Das Urteil des Oberlandesgericht Karlsruhe vermag nicht zu überzeugen. Das Gericht stützt sich in seiner Entscheidung alleine auf das Wettbewerbsrecht und läßt den Schutz der Meinungsfreiheit durch Art. 5 GG vollkommen unerwähnt.

der Schutz durch Art. 11 II Europäische Grundrechtecharta

Gerade auch im Wettbewerbsrecht, welches maßgeblich durch Europäische Richtlinien geprägt wird, hätte zudem Art. 11 II der europäischen Grundrechtscharta beachtet werden müssen. Art. 11 Absatz II schützt ausdrücklich die „Freiheit der Medien“.

der Meinungsstreit – der Publizist Roland Tichy

Das Oberlandesgericht läßt zudem vollkommen unbeachtet, dass der Publizist Roland Tichy immer wieder und zielgerichtet durch provokante Thesen und Zuspitzungen den Meinungsstreit sucht. Gerade er hätte daher eine Auseinandersetzung um diesen Hinweis hinnehmen müssen und sich wehren können.

Das Bundesverfassungsgericht billigt gerade auch Publizist*Innen das „Recht auf einen Gegenschlag“ zu. Selbst unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hat das Oberlandesgericht damit die Chance vertan, der öffentlichen Auseinandersetzung eine Möglichkeit zu Entfaltung einzuräumen.

die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde

Im Einstweiligen Verfügungsverfahren ist die Entscheidung des Oberlandesgerichtes endgültig. Eine Revision zum Bundesgerichtshof findet nicht statt. Jedoch kann Correctiv / Facebook die Entscheidung noch mit dem Mittel der Verfassungsbeschwerde angreifen. Schon im Hinblick auf das sogenannte Hauptsacheverfahren wäre es sehr wünschenswert, wenn Correctiv / Facebook diese Möglichkeit nutzen würde.

Denn hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Oberlandesgericht Karlsruhe unter Verweis auf die Verletzung des Verfassungsrechtes der Meinungsfreiheit auf, muss das Oberlandesgericht diese Entscheidung auch im Hauptsacheverfahren beachten.



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